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Zum Leben und Schaffen des Komponisten
WILHELM BERGER (* 9. August 1861, + 15. Januar 1911)

Im März 1879 erhält der 17jährige Berliner Musikstudent Wilhelm Berger einen Brief aus seiner Heimatstadt Bremen:
"Lieber Freund Wilhelm Berger! Erfreulich ist es für mich, daß Du Deinen alten Lehrer in so gutem Andenken behältst.....
ebenso erfreulich ist es, daß Du Deine jetzigen Lehrer so sehr achtest und ehrest!"
Der Absender des Briefes ist Wilhelm Calmeyer, der ehemalige Klavierlehrer des jungen Berger.
Vom achten Lebensjahr an - vorbereitet durch Vater und Schwester - hat der hochbegabte Junge bei diesem tüchtigen Pädagogen Unterricht erhalten und sich in kurzer Zeit ein so erstaunliches Können erworben, daß er schon bald bei Hauskonzerten und öffentlichen Veranstaltungen in der Hansestadt mit eigenen Werken erfolgreich auftreten kann.
Intensive Eindrücke beim Anhören der in Bremen konzertierenden Größen Clara Schumann und Johannes Brahms verstärken in ihm den Wunsch, ähnliches zu erreichen. Noch bevor Wilhelm Berger im Herbst 1878 die Heimatstadt verlässt, um an der Königlichen Hochschule für Musik in Berlin das Studium aufzunehmen, greifen die Bremer Musikalienhändler Praeger und Meier zu und sichern sich seine bisherigen Kompositionen für ihren Notenverlag. Der Erlös hilft dem Vater, einem schriftstellernden Kaufmann, geschäftliche Schulden abzutragen, die unvorhergesehen die Familie belasten.

Der junge Musiker gilt bald als einer der Begabtesten unter den Schülern des renommierten Kontrapunktlehrers und Komponisten Friedrich Kiel. Bekannt und beliebt wird Berger zuerst als Schöpfer gehaltvoller Klavierlieder und Klavierstücke. In den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts setzen sich der Geiger und Hochschuldirektor Joseph Joachim, der Chorleiter Siegfried Ochs und der Pianist und Dirigent Hans von Bülow für die Kammermusik-, Chor- und Orchesterwerke Bergers ein.

Im Jahr 1888 - nach der Heirat mit der holländischen Sängerin Isabella Oppenheim - tritt er eine Dozentur am Scharwenka-Konservatorium an. 25 Jahre hindurch wirkt er in Berlin als Komponist, Lehrer für Klavier- und Partiturspiel (einer seiner Schüler ist der spätere Dirigent Otto Klemperer), Liedbegleiter bedeutender Sänger und Sängerinnen und Dirigent der "Musikalischen Gesellschaft". Schließlich wird er zum Professor und Mitglied an der Akademie der Künste ernannt.

Das hochgesteckte Ziel, in der Nachfolge von Johannes Brahms eine eigenständige Geltung als Symphoniker zu erringen, erreicht er mit der Komposition seiner 1. Symphonie in B-Dur, die Fritz Steinbach zum Erfolg führt, vor allem aber mit der 2. Symphonie in h-Moll. Die Uraufführung erfolgt unter der Leitung des Komponisten im Jahre 1900, anlässlich des 61. Tonkünstlerfestes im Hause des Bremer Künstlervereins am gleichen Ort, an dem der 17jährige einst sein eigenes Konzert veranstaltet hatte. Dirigenten vom Range Felix Weingartners in Berlin und Gustav Mahlers in Wien setzen sich im gleichen Jahre für Aufführungen dieses großangelegten Werkes ein.
Im Jahre 1903 siedelt Berger mit seiner Familie nach Meiningen in Thüringen über und übernimmt die Position des Hofkapellmeisters im Dienste von Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen.
Neben reicher Orchesterarbeit schafft er gewichtige Kammermusik und Werke für größere Chor- und Orchester-Besetzungen, darunter die dem Andenken des großen Klarinettisten und Brahms-Freundes Mühlfeld gewidmeten Orchestervariationen über ein eigenes Thema in f-Moll.

Die letzten Lebensjahre Bergers sind von beruflichen Enttäuschungen (Auseinandersetzungen mit dem Herzog) und Krankheiten überschattet. Ein geplantes "Requiem" nach Hebbel und die ihn schon lange beschäftigende Oper "Hedda" bleiben unvollendet. Doch kann er noch das Chorwerk "Sonnenhymnus" und die prachtvolle, bis heute ungedruckt gebliebene Serenade für 12 Bläser fertig stellen. Im Januar 1911 stirbt Berger in Jella an den Folgen einer Magenoperation im Alter von erst 49 Jahren. Sein Nachfolger als Hofkapellmeister wird Max Reger.

Die Witwe des Komponisten bemühte sich in den folgenden Jahren um das Lebenswerk ihres Mannes, doch konnte sie nicht verhindern, daß es in der Folgezeit nahezu der Vergessenheit anheim fiel.
Als Gründe dafür können heute angegeben werden: die jeder Selbstreklame abholde Natur des Komponisten, die Einwirkungen zweier Kriege mit materiellen Verlusten (Kriegsschäden der Verlage) und die ästhetische Umorientierung - Impressionismus, Zweite Wiener Schule, Neue Sachlichkeit -, die den Zielsetzungen des Berger'schen Schaffens entgegenstanden.
Wir wissen, daß es vielen in der nachromantisch-nachbrahmsischen Tradition stehenden Komponisten ähnlich erging. Doch ist offensichtlich, daß das allgemeine Interesse an der Musik der Jahrhundertwende und damit auch an den Meistern im "zweiten Glied" der Musikgeschichte ständig zunimmt. Das zeigt nicht zuletzt die wachsende Zahl von Konzerten und Rundfunk-Produktionen sowie Aufnahmen mit "unbekannten Komponisten".

Die Motette "Mitten wir im Leben sind" aus "Vier geistliche Lieder und Gesänge", 1894, verarbeitet den Text des bekannten Luther-Liedes, geht jedoch melodisch eigene Wege. Vom Unisono-Einsatz zu Beginn der Strophen bis zur Siebenstimmigkeit in den Anrufungen ("Heil'ger, barmherz'ger Heiland"), von schlichter Schrittmelodik bis zu großen Tonsprüngen reichen die Ausdrucksmittel der harmonisch reich wie kontrapunktisch filigran angelegten Komposition, zweifellos eine sehr persönlich geprägte Bekenntnismusik.

Klaus Reinhardt